Vision

Der zweite Tag des Seminarblocks liegt hinter uns und wir haben uns mit dem Thema Vision und vor allem geteilte Vision beschäftigt.

Father Mark Lesage erzählte uns (ausgehend von seiner Lebensgeschichte), welche Rolle Visionen in seinem Leben spielten – schon als stolzer, heranwachsender Flame.

Eine Vision ist nichts, was dir nachts im Schlaf kommt – eine Vision lässt dich nachts nicht schlafen!

Und doch wies er auf die Gefahr hin, dass eine Vision nie nur von einer Person (z.B. des Leiters) kommen soll. Idealerweise entwickelt sich eine Vision gemeinsam und wird zu einer geteilten Vision.

In der Kirche auf den Philippinen ist diese Idee in vielen Diözesen Realität. Und beim Prozess der Visionsfindung sowie bei der Rückbesinnung auf die Vision unterstützt das Bukal ng Tipan-Institut.

So führten und am Nachmittag Aleli Gutierrez und Jojit Guevara in den Partizipationsprozess der geteilten Vision des Bukal-Teams ein.

Und das nicht nur theoretisch, sondern ganz praktisch: was sonst mit ganzen Diözesen in sechs bis acht Monaten entwickelt wird, erlebten wir im Schnelldurchlauf in drei Stunden.

Grundlage jeder Vision ist ein ehrliches und authentisches Bild der Lebenswirklichkeit der Menschen vor Ort.

Auf der „Graswurzel-Ebene“ befragen geschulte Menschen aus der Kerngemeinde in den verschiedenen Haushalten ihrer Pfarrei die Menschen – an ihrer Haustür.

In drei Fragen wollen sie von den Menschen wissen:

  • Was macht dich hier in deiner Nachbarschaft froh und glücklich?
  • Was macht dich hier traurig?
  • Wie müsste Kirche genau hier sein?

Die Ergebnisse werden (möglichst im Originallaut und -sprache) gesammelt und zusammengetragen, bis hin zu einer Diözesanversammlung, wo gemeinsam mit vielen Delegierten die Ergebnisse gesammelt und ausgewertet werden.

Dort entsteht zuerst in Kleingruppen, die immer größer wurden, ein Statement zur Vision und auch Mission für die gesamte Diözese.

Aus den verschiedenen Arbeitsentwürfen wird dann in einem demokratischen Prozess (jeder hat eine Stimme – auch die Priester und der Bischof, wie jeder Delegierte aus einer Pfarrei) ein gemeinsamer Arbeitsentwurf, der dann wieder in die Pfarreien und Kapellengemeinden zurückgetragen wird.

In jeder Gemeinde wird über diesen Entwurf gesprochen – vor allem, ob er noch eine Antwort auf die konkrete Lebenssituation bei Ihnen vor Ort gibt.

Aus diesen Rückmeldungen wird dann die schlussendliche, gemeinsame Vision im Statement festgehalten und für die gesamte Diözese in Kraft gesetzt.

Außergewöhnlich ist nicht nur die enorm hohe Partizipation auf allen Ebenen der Kirche, sondern auch, dass alle Phasen des langen Prozesses Gebet und Stille zentral in sich tragen.

Kein Beschluss wird getroffen, ohne die eigenen Ideen, Strukturen und Ergebnisse im Gebet in Gottes Hand zu legen. Diese Arbeitsweise hier vor Ort zu erleben, ist besonders beeindruckend.

Deshalb schließen wir heute auch mit einem Gebet:

Wir bringen das Saatgut in die Erde, das eines Tages aufbrechen und wachsen wird.

Wir begießen die Keime, die schon gepflanzt sind,

in der Gewissheit, dass sie eine weitere Verheißung in sich bergen.

Wir bauen die Fundamente, die auf weiteren Ausbau angelegt sind.

Wir können nicht alles tun. Es ist ein befreiendes Gefühl, wenn uns dies zu Bewusstsein kommt.

Es macht uns fähig, etwas zu tun – und es sehr gut zu tun.

Es mag unvollkommen sein, aber es ist ein Beginn, ein Schritt auf dem Weg,

eine Gelegenheit für Gottes Gnade, ins Spiel zu kommen und den Rest zu tun.

Wir mögen nie das Endergebnis zu sehen bekommen,

das ist der Unterschied zwischen Baumeister und Arbeiter.

Wir sind Arbeiter, keine Baumeister.

Wir sind Diener, keine Erlöser.

Wir sind Propheten einer Zukunft, die nicht uns allein gehört.

Amen.

Oscar Romero