Aus Verlust und Zerstörung ins Leben finden

Heute durften wir an verschiedenen Orten der Erzdiözeze Jaro Menschen kennenlernen, die im November 2013 durch den Taifun Yolanda beinahe alles verloren hatten. Damals wurden in der Region große Landstriche komplett verwüstet, so dass selbst die Menschen, die überlebten, keine Zukunft mehr sahen. Häuser, Fischerboote und Felder waren zerstört.

Hilfsorganisationen aus aller Welt kamen in die Region, doch die Absprachen untereinander waren leider oft schlecht und die Hilfe nicht nachhaltig. Die Erzdiözeze, vertreten durch das Seelsorgeamt, trat hier vor Ort mit einigen Organisationen in Kontakt, wodurch ein gutes Netzwerk und eine wertvolle Zusammenarbeit entstand, bei der jeder  Beteiligte sein Wissen beisteuern konnte. 

Das Seelsorgeamt, unterstützt durch Bukal ng Tipan, brachte den Kontakt mit den Betroffenen vor Ort mit ein. Durch den partizipativen Ansatz wurden Menschen befähigt und im Glauben bestärkt um sich eine neue Existenz aufzubauen. Durch die Erstellung von dreidimemsionalen Landkarten, mit eingezeichneten Gefahrenquellen erarbeiteten die Menschen, durch welche Gegebenheiten in ihrer Umwelt (z.B. Erdrutschzonen oder gerodete Waldgebiete) ihre Existenz schnell in Gedahr geraten könnte. Daraus folgten dann Projekte in Eigeninitiative, um die Existenz zu sichern (z.B. durch Aufdorstung). Auch entwickelten die Menschen vor Ott ökonomische Perspektiven. Die Berichte der Betroffenen gaben uns heute Zeugnis davon, wie wichtig die kirchlichen Basisgemeinden und der geteilte Glaube für diesen Prozess waren.

Am Vormittag waren wir in Lemory zu Gast. Hier hatte der Taifun Yolanda neben den meisten Häusern auch die Kirche zerstört – vor allem ihr Dach davongetragen. Inzwischen gibt es eine neue Kirche, die viel größer ist, da nur so alle Menschen Platz haben. In ihrer Einfachheit – eher wie eine halboffene Markthalle mit Zeltdach – machte die einfache Kirche einen wunderbar offenherzigen Eindruck. Die vielen Menschen füllten sie mit Leben, die unterm Dach leben Vögel mit Gesang.

Die alte Kirche wurde stattdessen in eine Art selbst betriebenen Supermarkt umgestaltet. Menschen aus der Gemeinde fahren regelmäßig zum weiter entfernten Großmarkt. In ihrem Markt verkaufen sie dann die Lebensmittel und Artikel für den täglichen Bedarf nur unwesentlich teurer, was den Menschen vor Ort zu Gute kommt, die sich die hohen Preise der Zwischenhändler sparen. Darüber hinaus verfügt der Markt über viele winzige Zweigstellen in den nderen Orten der Pfarrei und sichert so auch Menschen in abgelegenen Därgern den Zugang zu den Waren. Der Laden wird genossenschaftlich betrieben und der Großteil der Menschen der Pfarrei ist daran beteiligt und sichert sich so die Unabhängigkeit von den großen Konzernen.

Eindrücklich berichtete vor Ort eine Familie davon, wie die damals vor Ort neue Struktur der Basisgemeinde und die Treffen mit dem Bibelteilen und der Formation sie als Familie einander näher gebracht hätten: Der Alltag sei immernoch hart, aber von gegenseitigen Verständnis geprägt. Sie kämen mehr miteinander ins Gespräch, wären mehr Familie als Zweckgemeinschaft. Auch htten sie mehr Freunde gewonnen und die Nachbarschaft sei eine Gemeinschaft geworden, in der man mehr miteinander lebt als neinander vorbei und in der man sich unterstützt. 

Nachdem wir vor Ort die Krippenausstellung bewundern durften, in der – landestypisch bereits zu dieser Jahreszeit und ebenfalls typisch sehr bunt – Gemeinde Gruppen aus Abfällen wunderschöne Krippen für einen Wettbewerb gebaut hatten, machten wir uns auf den Weg zur nahegelegenen Versammlung wo Vertreter aus mehreren BECs zusammen kamen. Gemeinsam mit Ihnen nahmen wir an der dortigen Formation teil und durften so auch erleben, wo die Menschen ihren Halt und ihre Inspiration finden: In der heiligen Schrift. 

Nach einem guten Austausch und dem erneuten Erleben der philippinischen Gastfreundschaft begaben wir uns dann am Nachmittag in eine Ortsgemeinde am Meer, die nach der großen Katastrophe eine neue Einnahmequelle gefunden hatte: Seetang.

Früher hatten die Menschen dort zum Großteil von der illegalen Dynamit-Fischerei gelebt. Auch Glücksspiel war weit verbreitet. Nach der großen Zerstöhrung und zusätzlich starker Kontrollen durch die Regierung war die Not dort sehr groß. In den Gottesdienst lichen Zusammenkünften schöpfen die Menschen Kraft und Hoffnung und suchten aktiv nach neuen Wegen.

  • Ein Mann aus der Gemeinde kam auf die Idee, eine bestimmte Sorte Seetang anzubauen.  Er behielt die Idee nicht für sich und seinen eigenen Profit (was man auch daran sieht, dass seine Hütte genau so einfach ist, wie die der Nachbarn) sondern teilte sie mit der ganzen Gemeinde. Heute können 400 Familien an der dortigen Küste mit dem Anbau, der Weiterverarbeitung und dem Handel von und mit Seetang ihren Lebensunterhalt sichern. Ziel ist es, dass sie zukünftig neben den Lebensmitteln auch immer mehr andere Produkte in Eigenherstellung vermarkten können. Hervorzuheben ist an dem Projekt auch, dass Forscher der philippinischen Universität darauf aufmerksam wurden. USAID hat ein spezielles Trockner-Gerät entwickelt dass verschiedene Möglichkeiten der Energieversorgung hat und auch bei schlechtem Wetter din Weiterverarbeitung des Tangs ermöglicht. Dieser Seetang, der nur unter spezifischen Wasserverhältnissen gut gedeiht, könnte in Zukunft weltweit ein wichtiger Rohstoff werdern. So wird er bereits in vielen Kosmetika eingesetzt aber auch bei der Herstellung verschiedener Kunststoffe.

Reisetag – von Naburot nach Metro-Manila

Inhaltlich lässt sich vom heutigen Tag nicht viel berichten, wohl aber von den gegensätzlichen Eindrücken, die uns heute, wie eine Zusammenfassung der ganzen Reise, begegnet sind.

Gestartet sind wir heute morgen zu Fuss über die kleinen Inselpfade und über eine Natursteintreppe und eine Bambusbrücke zur Anlegestelle des Drachenbootes. So heißen die traditionellen Boote, die tägliches Transport- und Fortbewegungsmittel vieler Philippinos in den Küstenregionen sind. Die seitlichen Ausleger aus Bambusrohren wirken optisch wie die Flügel eines Drachen.

Mit dem Boot fuhren wir eine gute Stunde die Küste entlang, vorbei an vielen Inseln, wo die Menschen sehr einfach mitten in der Natur leben, viele von der Fischerei.

Am Hafen von Iloilo angekommen, wurden wir von den Kleinbussen abgeholt, die uns zuerst zu unseren Koffern und später zum Flughafen bringen sollten. Bei diesen handelte es sich diesmal um ’normale‘ Kleinbusse und nicht um die landestypischen Jeepneys, die aber wie immer, gemeinsam mit den kleinen Tricyclen (Motorräder mit Beiwagen, die manchmal ganz großfamilin transportieren), das Stadtbild prägten.

Wir fuhren vorbei an den unterschiedlichsten Arten von Behausungen: Große städtische Stein- und Betonhäuser, aber auch viele einfache Hütten aus Wellblech, Holz oder was auch immer gerade vorhanden war. Die meisten Menschen schienen sich, wie immer, auf der Straße zu befinden: Menschen aller Altersgruppen, wobei 60% der Bevölkerung unter 20 Jahren alt sind.

Gnadenbild „Unsere liebe Frau von den Kerzen“ an der Kathedrale (Bischofskirche) in Jaro, einem Stadtteil von Iloilo

Mit einem kurzen Zwischenstopp an der Kathedrale in Jaro  schlängelte wir uns durch den Verkehr – Verkehrsregeln werden hier übrigens mehr wie Vorschläge gehandhabt: Ob man eine Straße an einem Zebrastreifen überquert oder einfach so, macht quasi keinen Unterschied. Auch rote Ampeln hindern hier niemanden am Weiterfahren. Da die Philippinos aber sehr aufmerksame Fahrer sind, kommt es scheinbar nie zu Unfällen. Und noch etwas fiel auf: die meisten Fahrzeuge haben am Rückspiegel einen Rosenkranz Höhen oder verfügen über irgendeine Art kleines Gnadenbild im Fahrerraum. Immer wenn der Fahrer an einer Kirche vorbeikommt, berührt er als Zeichen diesen Gegenstand und macht ein Kreuzzeichen. Aufmerksam eben.

Am Flughafen angekommen begegnenten wir dem typischen flugreisenden Philippino: meistens auf dem Weg zur Arbeit oder auf dem Heimweg. Manche in Arbeiterkluft, andere im Businessdress. Oftmals, als zusätzliches Gepäckstück neben dem Koffer ein großes Paket aus Pappe mit viel Klebeband fixiert dabei.

Unser schließlich einstündiger Flug führte uns dann in die Großstadt Manila. Vor dem Flughafen wurden wir wieder von Kleinbussen erwartet, mit denen wir uns im Schneckentempo durch den mehrspurigen Berufsverkehr bewegten. Für knapp 15 Kilometer brauchten wir gut drei Stunden. Manila verfügt über kein Personennahverkehrssystem – ausser der kleinen übervollen Jeepneys, die wie jeder PKW auf die Straße angewiesen sind. So kann man für wenige Kilometer mehrere Stunden unterwegs sein – zu beinahe jeder Tageszeit. Neben einigen moderneren Motorrollern waren wir hier vor allem von eher schicken und großen Autos umgeben. Der Philippino, der es sich leisten kann, mag es da wohl eher amerikanisch und fährt einen polierten Pickup oder SUV.

Nach einem insgesamt elfeinhalb sündigen Reisetag mit verschiedensten Verkehrsmitteln kamen wir schließlich müde und erschöpft im Haus Maryhill des CICM an. Von hier aus konnten wir über die sternerfüllte Weihnachtsdeko hinweg sowohl aus der Kapelle, als auch von der Trasse aus über die Skyline von Metro-Manila blicken. Ein guter Abschluss für einen langen Tag, der uns noch einmal die Lebenssituation der Menschen hier vor Ort vor Augen geführt hat.

Ausblick vom Haus Maryhill in Richtung Metro-Manila – heute sahen wir nur noch die Nachtansicht

Die Insel Bayas

Am heutigen Sonntag durften wir erleben, wie Menschen, die nicht am Pfarrei-Ort wohnen, am Sonntag als Gemeinde zusammenkommen und Gottesdienst feiern.

Kirche in Estancia

Morgens trafen wir bereits früh in der Pfarrkirche in Estancia ein, wo wie üblich am Sonntag stündlich die heilige Messe gefeiert wird. Bereits um 7:30 Uhr war die große Kirche zur ersten Sonntagsmesse so gefüllt, das auch viele Menschen draußen vor der Tür standen. Das in dieser Eucharistiefeier zum Leib Christi gewandelt Brot durften wir, begleitet von Frauen aus dem Parish(Pfarrei)-Formation-Team, auf eine Insel-BEC mitbringen.

Nach einer kurzen Fahrt zum Hafen von Estancia stiegen wir dort in traditionelle Drachenboote um. Weitere zwanzig Minuten später landeten wir an der Küste der kleinen Insel Bayas. Die letzten Schritte vom Boot bis zum Ufer liefen wir, mangels Landungssteeg, durchs Wasser. Die ‚Dorfstraße‘, ein schmaler Weg, führte uns an vielen sehr einfachen Hütten vorbei zur Kapelle, wo wir bereits von der großen Gemeinde erwartet wurden.

Auf der Insel gibt es zwei Kapellen – diese haben wir nur kurz besichtigt.

Gemeinsam feierten wir einen sehr feierlichen Gottesdienst – ähnlich einer Wortgottesfeier mit Kommunionausteilung. Letztere bildete eindeutig den Höhepunkt. Die Art und Weise, wie die Menschen vor Ort auch ohne Priester Gottesdienst feiern und trotzdem die Eucharistie im Mittelpunkt steht, ist sehr ergreifend. Auch das Selbstverständnis, dass man Teil der Großpfarrei ist, aus der morgens von der dortigen Messfeier die Eucharistie mitgebracht wurde, ist so beeindruckend, dass wir es nicht einfach in Worte fassen können. Es lässt sich nur sagen, dass in dem feierlichen Gottesdienst, unter Leitung und Beteiligung vieler Gemeindemitglieder, mit Jugendchor und Band, mit vielen Familien und jungen und alten Menschen die Gegenwart Christi und der Gemeinschaft stiftende Geist Gottes eindrücklich erfahrbar wurden.

Friedhof an der Küste der Insel Bayas

Rückfahrt nach Estancia

Diese besonderenderen Erfahrungen ließen uns auch nicht los, als wir mittags wieder zurück nach Iloilo aufbrachen, wo wir die Eindrücke der Exposures der letzten Tage ausführlich ins Gespräch brachten und damit den dritten Abschnitt unserer Reise abschließen durften.

Zum Ausklang gingen wir noch am Flußufer in Ilolio spazieren.

Die letzten Tage unserer Reise werden nun dazu dienen, die gesammelten Erfahrungen zu sortieren und miteinander zu reflektieren.

Da wir uns morgen in diesem Rahmen erst einmal für einen Tag zurückziehen und deshalb auch fernab vom Internet sind, wird es leider keinen Blogbeitrag geben. Den nächsten wird es dann hoffentlich am Dienstag Abend geben, wenn wir in Manila ankommen.

Paalam – auf Wiedersehen

Monika und Daniel

Ich packe meinen Koffer…

Meine Packliste besteht bereits seit Wochen. In den letzten drei Tagen habe ich dann nach und nach all die Dinge zusammengetragen.

Nun blicke ich auf die kleinen Stapel und frage mich: Was soll ich wirklich einpacken? Was lasse ich zu Hause? So ein Koffer bietet nur begrenzt Platz. Obergrenze für den Flug sind 20 kg, damit sollte ich locker hinkommen. Aber halt: Es soll ja noch Platz bleiben für Neues, Platz für Dinge, die ich mit nach Hause bringe!

Vor einigen Tagen berichtete ein Kollege von seinen Pilgererfahrungen (so oder so ähnlich): „Wer sich auf den Weg macht weiß, dass er nur begrenzt Gepäck mitnehmen kann. Wenn ich zu viel einpacke, wird es zur Last und ich komme nicht vom Fleck. Wenn ich mich ernsthaft auf den Weg machen will, muss ich vieles was mir lieb ist zurücklassen. Nur das Nötigste findet Platz im Rucksack. Und so merke ich, dass ich gar nicht so viel brauche und so die Leichtigkeit habe, Neues zu erleben und zu erfahren.“

Auch wir begeben uns auf die Reise, um neue Eindrücke zu sammeln und in der Hoffnung, aus diesen Erfahrungen zu lernen. Wenn auch ich für diese Eindrücke offen sein will, darf ich nicht zu viel Gepäck mitnehmen. Manches lasse ich besser zu Hause: Vorgefertigte Bilder und Meinungen, alte Enttäuschungen, Angst vor dem Fremden oder die Überzeugung, etwas besser zu wissen.

Ich wünsche uns und allen, die sich auf einen neuen Weg begeben, den Mut, Altes zurückzulassen und Platz für Neues zu gewinnen!